Somit stellt sich die Frage, wie sich eine Generation
von Künstlern entwickeln konnte, die die Isolation der Balearen überwand.
Wir betrachteten bereits die Zusammenhänge, aus denen heraus zwei
aus Ibiza stammenden Maler ihre Wahl trafen. Man muss auch den Menorquiner
Maties Quetglas erwähnen, der für die Moderne charakteristische Stilelemente
übernahm, ohne die Gegenständlichkeit aufzugeben, was ein Grundpfeiler
der Tradition war, die von Vives Llull verkörpert und von Vives Campomar
großartig fortgeführt wurde. Gegen den in gewisser Weise erpresserischen
Willen des Abstrakten Expressionismus behauptete die figurative Malerei
von Balthus bis Antonio López García ihren eigenen, immerhin sehr
fruchtbarer Raum. In der figurativen Malerei, die von David Hockney
als ein Naturrecht beansprucht wurde, ist Maties Quetglas einer der
Künstler, die mit bildnerischer Weisheit in der Nachfolge der Klassiker
dazu beitrugen, die Ängste und Freuden des heutigen Menschen zu erforschen.
(Und es ist vielleicht kein Zufall, das er seine Karriere jenseits
der Insel, vor allem in Madrid, verfolgte, so wie Garcia Sevilla in
Barcelona und Miquel Barceló in Paris.)
Sowohl in seinem Fall wie auch im Falle der meisten anderen mallorquinischen
Maler sollte man die Tatsache nicht unterschätzen, dass ein in gewisser
Weise physisches Ende des Isolation zu einem Ende der künstlerischen
Isolation führte, was innerhalb zweier Generationen vollständig vollbracht
war. Dank der Arbeit der bereits erwähnten zwei Galerien waren auf
Mallorca die Möglichkeiten erheblich gestiegen, die in den westlichen
Ländern vorherrschende Malerei kennen zu lernen. Doch es muss grundsätzlich
festgehalten werden, dass auch die aus dem Tourismus hervorgegangenen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidenden Einfluss auf den
Kontakt mit dem Ausland hatten und zu einem höheren Bildungsstand
der immer größer werdenden Bevölkerungsschichten führten. Die Bildenden
Künste wurden an Orten jenseits der Insel studiert - vor allem in
Barcelona, wo eine neue Kunst - Tàpies, Guinovart, Ràfols Casamada,
Joan Ponç, Tharrats sowie die bereits erwähnten Maler der neuen Gegenständlichkeit
- sich entwickelte und eine Identifikation mit politischen Idealen
schuf, die auf verschiedenen Ebenen in Opposition zur Diktatur standen.
(Man könnte sagen, dass sich mit der großen Präsenz mallorquinischer
Kunstschüler in Barcelona gewissermaßen die Situation der Jahrhundertwende
wiederholte, als vor allem zwei katalanische Maler den mallorquinischen
Malern den Weg der Erneuerung - den der Regeneration - aufzeigten:
Das neue Zusammentreffen fand innerhalb der katalanischen Kultur statt,
die aber merkwürdigerweise nicht in der Lage war, dieser Künstlergenerationen
eine Heimat zu bieten. Allgemein stießen diese Künstler in Madrid
auf größere Resonanz, was im Gegensatz zu den Erfahrungen vor allem
der Schriftsteller stand). Diesmal war der Wandel viel drastischer,
mit häufigeren Brüchen, und es bestand vor allem die Gefahr, in der
Gesellschaft, in der jene Künstler ihr Metier ausübten, keine Anerkennung
zu finden. Die Joan Bannàsser, Ramon Canet, Damià Jaume, Mateu Bauzà,
Tomeu Ventayol, Andreu und Steva Terrades oder Joan Gelabert und Àngel
Sanmartín bildeten eine erste Generation von Künstlern, die in dem
gerade beschriebenen Umfeld ihre ersten Erfahrungen sammelten. Zu
dieser Gruppe stießen auch Autodidakten, wie zum Beispiel Vicenç Torres.
Nicht wenige Maler betrachteten die Isolation Mallorcas als ein Schlüssel
zu ihrem persönlichen Isolationsende: Zu dieser Gruppe zählten die
aus Aragonien stammenden Brüder Ángel und Vicente Pascual, die sich
auf Mallorca niederließen und die "La Hermandad Pictórica" (Bildnerische
Brüderschaft) gründeten, bis jeder seinen eigenen Weg wählte, und
auch der Argentinier Horacio Sapere sowie viele andere.
Dieser sogenannten Generation der siebziger Jahre gelang es schließlich,
mit mehr oder weniger Schwierigkeiten die Stile der Moderne auf Mallorca
durchzusetzen nach Jahrhunderten der Isolation mit nur seltenen und
unregelmäßigen Unterbrechungen. Und dies war möglich, weil sich die
mallorquinische Gesellschaft gegenüber Kunstformen, die nicht mechanisch
die der Vergangenheit reproduzierten, aufgeschlossener zeigte. Man
muss von einer aufstrebenden einheimischen und, nicht weniger zu unterschätzenden,
von außerhalb der Balearen stammenden Gruppe von Kunstsammlern sprechen,
die an den neuen Kunstformen interessiert waren. Allgemein betrachtet
waren beide Gruppen ein Resultat der neuen wirtschaftlichen Situation,
die in der Geschichte der Balearen bisher einmalig war.
Diese Entwicklung beschleunigte sich während der achtziger Jahre auf
eine krampfhafte, traumatische und vor allem irrationale Art und Weise:
Doch dies war nichts Neues. Der beste Beweis für das Ende der Isolation
auf den Balearen bestand möglicherweise darin, dass man hier dieselben
Fehleinschätzungen beging wie im übrigen Europa oder in den USA. Vor
allem auf Mallorca sprengte das Spekulationsfieber alle Grenzen. Dies
wurde an Hand eines bemerkenswerten Phänomens deutlich: das strahlende
Erscheinen des Mallorquiners Miquel Barceló auf der internationalen
Kunstszene. Die Figur des Malers aus Felanitx sollte - ohne sein Zutun
- die Kunstlandschaft auf Mallorca derartig verzerren, dass man bei
dem Versuch, das überzogenen Verhalten von Künstlern, Spekulanten,
Galeristen und Glücksspielern zu erklären, ohne zu übertreiben von
einer Art Wahnsinn sprechen kann. Die mallorquinische Gesellschaft
war von dem Werdegang des Miquel Barceló geblendet und die Kunstwelt
zog aus diesem Phänomen bemerkenswerte Schlussfolgerungen. Auf die
üblichen Marktgesetze angewendet führten diese zu wahrhaft grotesken
Resultaten. Noch heute spürt man gewisse Folgen dieser Zeit der Trans-Avantgarde
und des Neuen Expressionismus - oft von Leuten vertreten, die die
Existenz des Alten ignorierten. Und vor allem wurden viele vergessen,
die damals übereilt in den Künstlerlisten Eintritt fanden, und in
die Kunsthändler, Galerien und Sammler investierten. Und noch immer
herrscht ein gewisses Misstrauen, das die Konsolidierung neuer Werte
auf dem Kunstmarkt erschwert.
Wegen all dieser Umstände ist die Kunstlandschaft, die nach der Generation
der siebziger Jahre in Erscheinung traten, schwer zu durchschauen.
Aus diesem Grund war die Auswahl an Künstlern - Antoni Socías, Menéndez
Rojas, Maria Carbonero, Guillem Nadal, Rafa Forteza, Patxi Echeverría,
Bernardí Roig - immer von Unentschlossenheit und Zweifel begleitet,
die sich schließlich von Fall zu Fall auflösten - nicht zuletzt dank
eines Numerus Klausus, der in jeder derartigen Ausstellung eine Rolle
spielt.
Der Leser-Betrachter möge einen Exzess an Möglichkeiten ("Possibilisme")
sowie einen genauso exzessiven Pragmatismus entschuldigen, der dazu
führte, Figuren wie Miquel Barceló oder Ferran Garcia Sevilla auszuschließen,
zwei Künstler, deren Abwesenheit dank des Bekanntheitsgrades ihrer
Werke und durch die Phantasie des Betrachters ausgeglichen werden
kann. Die große Zahl der nicht ausgewählten Künstler geht allein auf
das Konto des Ausstellungsmachers: Die möglicherweise schmerzhafteste
ist die von Rafel Joan, die sich durch seinen einzigartigen Werdegang
erklären lässt. Hätte es sich bei dieser Ausstellung um eine Sammelausstellung
gehandelt, dann wäre vielen Künstlern Unrecht geschehen - doch dies
ist nicht der Fall. Wir vermissen zwar einige interessante Künstler
mit bedeutendem Œuvre, doch sie tragen nichts Neues bei zu der Kunstlandschaft,
die in dieser Ausstellung präsentiert werden soll. Mir ging es vor
allem darum, den Reichtum dieser Kunstlandschaft zu unterstreichen
und wie eine Region wie die Balearen-Inseln eine solch mannigfaltig
und fruchtbare Epoche erleben konnte - die noch größer erscheint,
wenn man den Blick auf die Plastik und Fotografie wirft.
Bevor nun die Untersuchung über die Voraussetzungen für das Ende der
Isolation zum Abschluss kommt, scheint der richtige Moment gekommen
einzugestehen, dass das ursprüngliche Motto dieser Ausstellung "Von
der Isolation zum Inseldasein" (De l´aïllament a la illeïtat) lautete.
Damit sollte der Übergang beschrieben werden von einem durch starker
Beschränkung bedingten geographischen Determinismus - in Geschichte,
Kultur und Gesellschaft - hin zu einer freigewählten Option, die in
manchen Fällen strategisch bestimmt war. Das Hauptmerkmal dieser Option
bestünde demnach in der Möglichkeit einer größeren Handlungsfreiheit
über die eigene Zeit und eine größere Autonomie gegenüber den von
den großen Entscheidungszentren vorgegebenen Zeitabläufen. Wäre es
möglich, auf diese Weise ein gemeinsames Merkmal der Inselkünstler
herauszuarbeiten, das man vorläufig in der Notwendigkeit verstehen
muss, dass jede neue Erfahrung sich erst einmal ablagern, jede Eroberung
sich konsolidieren muss und dass man nicht dem Trend folgt, das Land
noch bevor das Samenkorn sprießt zu verlassen? Auf diese Weise wäre
man nicht mehr isoliert, sondern Teil einer kulturell offenen Inselgesellschaft.
Und aus den daraus resultierenden Vorteilen könnten sowohl die einheimischen
wie die von außerhalb stammenden Künstler Nutzen ziehen.
Guillem Frontera
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